[English version below]
⚠️ Triggerwarnung: Der Comic, um des es nachfolgend geht, behandelt das Thema (Kindes-)Missbrauch und häusliche Gewalt. ⚠️
Manche Geschichten sind nur schwer zu verdauen. Dass die Wirklichkeit, die jenen Geschichten immer wieder als Grundlage oder Inspiration dient, noch schwerer zu verdauen ist – keine Frage. Gerade unter DCs Black Label erscheinen und erschienen immer wieder Comics, die Lesenden stark an die Nieren gehen können. Ohne auf Kanon, Kontinuität oder gar Altersfreigaben achten zu müssen, werden bei diesem Unterverlag von DC teilweise sehr krasse und/oder sehr aufwühlende Geschichten erzählt. Kürzlich erst war „Joker/Harley: Psychogramm des Grauens“ an dieser Stelle mein Thema. Eine super derbe Geschichte in bester „Das Schweigen der Lämmer“-Manier, die die bekannten Figuren losgelöst von ihren sonstigen Erzählungen präsentierte – und vor allem nicht mit schockierenden Bildern geizte.
Kürzlich veröffentlichte Panini Comics einen weiteren Band, der unter dem „Black Label“-Imprint erschien: „Batman – Stumme Schreie“. Und nach diesen einleitenden Worten dämmert es Euch vielleicht schon, dass auch dieser Comic eine Geschichte erzählt, die mir, als Vater eines kleinen Kindes, sehr naheging, mich sehr aufgewühlt und bewegt hat. Zentrales Thema ist Kindesmissbrauch. Uff.
„Batman – Stumme Schreie“ ist fürwahr keine sonderlich neue Geschichte. Der vom bereits 1998 verstorbenen Archie Goodwin verfasste und von Scott Hampton gemalte Comic erschien im Original im Jahr 1992. 1993 heimste dieses Werk einen Harvey Award für „herausragendes Layout/Präsentation“ ein. Die im Buch genannten Zahlfallen von Kindesmissbräuchen in den USA, zusätzlich auch noch unterteilt in jene mit Todesfolge, ist demnach nicht mehr aktuell. Ich kann mich der Befürchtung nicht erwehren, dass es seitdem nicht besser geworden ist. Ich meine, schaut Euch um in der Welt – ist irgendwas in den vergangenen Jahren besser geworden?
Etwas besser machen möchte jedoch die von Bruce Wayne mitfinanzierte Organisation Safe House, in der Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen und Physiotherapeut*innen Missbrauchsopfern helfen möchten. Sie möchten dazu beitragen, dass die Spirale der Gewalt durchbrochen wird, ehe beispielsweise aus ehemaligen Opfern neue Täter werden. Parallel dazu hat es Batman mit ein paar grausigen Morden zu tun. So wird etwa in einem besonders heruntergekommenen Viertel eine ganze Familie ausgelöscht. Vater, Mutter, Kind. Die Gerichtsmedizin hat es nicht sonderlich eilig damit, nach Hinweisen zu suchen. Warum auch, sind doch schließlich nur ein paar arme Menschen aus Gothams problematischstem Bezirk. Gleichzeitig scheint dieser Fall mit einem anderen Mord in Verbindung zu stehen, bei dem nicht nur eine Querverbindung zu einer neuen Droge und einem Drogenkrieg aufkommt, sondern auch ein schwer traumatisiertes und somit verstummtes Mädchen die entscheidenden Hinweise liefern könnte. Und wäre dies nicht alles schon schwer genug zu ertragen, kämpft auch der frisch zum Commissionar beförderte Jim Gorden mit den Dämonen seiner Vergangenheit. Selbst als Kind Opfer von Missbrauch und häuslicher Gewalt geworden, bemerkt er fatale Verhaltensweisen immer wieder auch an sich selbst – bis zu dem Punkt, an dem er einsehen muss, dass auch er dringend Hilfe benötigt …
Es fällt mir noch schwer, die Gedanken zu diesem Comic zu sortieren. Dass mich Goodwins Story sehr angefasst hat, könnt Ihr Euch sicher vorstellen. Und das gar nicht mal, weil „Batman – Stumme Schreie“ ebenfalls mit expliziter Darstellung von Gewalt oder Ähnlichem aufwarten würde. Hamptons expressionistische Bilder, fernab dessen, was sonst in Panels für gewöhnlich aufgefahren wird, ist eher ein dramatisches Spiel aus düsteren Farben und schemenhaften Andeutungen. Das Thema ist auch so schon schwere Kost genug.
Bruce Wayne, als Kind zum Augenzeugen der Ermordung seiner Eltern geworden, ist selbst mit genügend Traumata gestraft. Die er aber zu bekämpfen versucht, indem er sich Nacht für Nacht das Batmankostüm überstreift und versucht, Dinge zu ändern. Jim Gordon, der als Kind permanent und wegen jeder Kleinigkeit von seinem Vater mit dem Gürtel versohlt wurde und sich in die Arbeit flüchtet, damit ihm daheim nicht seinem Kind gegenüber auch die Hand ausrutscht. Dessen Ehe nur noch ein Scherbenhaufen ist. Der Serienkiller, dessen Opfer stets Menschen sind, die Gefallen an Videos finden, derentwegen sie zu Recht im allerletzten Loch der Hölle schmoren sollten. Oder die sich auf andere Weise an Kindern vergehen, obwohl sie sie doch schützen und trösten sollten … Sie alle haben schwer zu knabbern an den Dingen, die ihnen widerfahren sind. An den Dingen, die hier in diesem Comic passieren. Und als Leser*in durchlebt man diese traumatischen Erfahrungen mit. Und auch, wenn der Fall final abgeschlossen sein sollte – das grundsätzliche Problem ist dadurch ja nicht aus der Welt. Batman kämpft einen Kampf, den er niemals gewinnen können wird. Das wissen alle Beteiligten. Was macht das mit ihnen? Und was macht das mit den Lesenden?
Ernsthaft, aber gleichzeitig gefühlvoll lotet Goodwin die Grenzen dessen aus, was seine handelnden Figuren zu verkraften in der Lage sind. Die dramatischen, eindringlichen Bilder von Hampton geben der Erzählung genau den richtigen Rahmen. Beinahe möchte ich mich zu der Vermutung hinreißen lassen, dass jede andere Form der Illustration hier nicht funktioniert hätte. Auch wenn die Geschichte gut geschrieben und illustriert ist – ich tue mich wirklich sehr schwer, hier von einem Lesevergnügen zu reden. Denn das ist es nicht. Natürlich hilft es nicht, die Augen vor den Schrecken, die in der Welt herrschen, zu verschließen. Zumal man nie weiß, was hinter so mancher verschlossener Wohnungstür im eigenen Wohnblock passiert. Gerade kommt mit das Lied „Luka“ von Suzanne Vega in den Sinn, das einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgte.
Ob man jedoch diesen aufrührenden, bewegenden, dramatischen, erschreckenden und sehr düsteren Comic goutieren möchte, muss jede*r für sich entscheiden. Fans erwachsener Geschichten mit der Fledermaus, losgelöst vom üblichen Kanon, bekommen ein weiteres Beispiel dafür, dass Comics auch sehr ernsthafte, gesellschaftlich relevante Themen beackern können. Eltern von Kindern oder Menschen mit Missbrauchserfahrungen seien noch einmal darauf hingewiesen, dass dieser Comic aufwühlen und/oder triggern könnte. Was dieser Comic mit mir machte, darüber werde ich wohl noch eine ganze Weile sinnieren.
⚠️ Trigger Warning: The comic discussed below deals with the themes of (child) abuse and domestic violence. ⚠️
Some stories are just hard to stomach. The fact that reality—the same reality that so often serves as inspiration or foundation for such stories—is even harder to digest? No question about it. Especially under DC’s Black Label, there have been and continue to be comics that hit readers right in the gut. Unbound by canon, continuity, or age ratings, this imprint gives creators the freedom to tell some of the darkest and most emotionally intense stories out there. Not long ago, I covered Joker/Harley: Criminal Sanity—a disturbingly brutal tale, very much in the vein of The Silence of the Lambs, that reimagined well-known characters and didn’t shy away from shock value.
Now Panini Comics has released another title under the Black Label banner: Batman – GCPD: The Blue Wall (titled in German Batman – Stumme Schreie, or Silent Screams). And after this kind of intro, you probably already suspect it—yes, this is another story that hit me hard. As a father of a young child, this one got under my skin. Deeply. The central theme? Child abuse. Yeah. That.
Batman – Stumme Schreie is not exactly a new story. Written by Archie Goodwin, who passed away back in 1998, and illustrated by Scott Hampton, the comic originally came out in 1992. In 1993, it received a Harvey Award for "Best Graphic Album of Original Work." The statistics on child abuse cited in the book—complete with breakdowns of cases resulting in death—are no longer current. But I can't shake the feeling that things haven’t improved since. Just look around—has anything in this world gotten better over the years?
At least someone’s trying to do better: Safe House, an organization partially funded by Bruce Wayne, brings together psychologists, psychotherapists, and physical therapists to help abuse survivors heal. The goal? To break the cycle of violence before former victims become future perpetrators. Meanwhile, Batman is investigating a series of gruesome murders. In one of Gotham’s most neglected neighborhoods, an entire family is slaughtered—father, mother, child. The medical examiner doesn’t seem to be in much of a hurry. Why should they be? It’s just a few poor people from Gotham’s worst block, after all. But the case connects to another killing. There’s a new drug in town, a turf war, and perhaps most crucially, a severely traumatized—and now mute—girl who may hold the key to solving it all. And if that weren’t heavy enough, freshly promoted Commissioner Jim Gordon is wrestling with demons of his own. As a child, he suffered abuse and violence at home. Now, as an adult, he recognizes those same patterns in himself—enough to admit that he, too, may need help…
I’m still struggling to gather my thoughts on this one. Goodwin’s story absolutely shook me. And not because Batman – Stumme Schreie is graphically violent. Quite the opposite. Hampton’s expressionistic art, far from what we usually see in comic panels, uses a dramatic palette of dark tones and shadowy outlines to evoke the horror lurking beneath the surface. The subject matter is more than heavy enough without being explicit.
Bruce Wayne, a child scarred by the trauma of witnessing his parents’ murder, fights his trauma by donning the cape and trying to change the world one night at a time. Jim Gordon, whose father beat him for the smallest infractions, buries himself in work so he doesn’t snap at his own child. His marriage is shattered. The serial killer—whose victims all seem to be people who enjoy certain "videos" that land them in the deepest circles of hell—wreaks his own brand of justice. And all of them are deeply scarred. So is the reader. Even if the case eventually gets "solved"—the larger issue doesn’t disappear. Batman fights a battle he can never truly win. Everyone knows it. What does that do to them? What does it do to us?
Goodwin approaches this with sobering honesty and empathy, walking right up to the edge of what his characters can emotionally withstand. Hampton’s haunting visuals give the story exactly the right frame. I’d even go as far as to say that any other visual approach might not have worked. And yet—even though it’s well-written and beautifully illustrated—I can’t really talk about this book in terms of enjoyment. Because this isn’t that kind of comic. Of course, we shouldn’t close our eyes to the horrors in the world. Who knows what happens behind the locked doors just down the hallway? Right now, I’m thinking of Suzanne Vega’s song “Luka,” which took a very similar angle years ago.
Whether this moving, harrowing, dramatic, and deeply dark comic is something you want to read—that’s a personal choice. Fans of mature Batman stories unbound by continuity will find yet another example here of how comics can tackle very real, socially relevant issues. Parents, or people with experience of abuse, should be warned that this book may well be triggering. As for me—what this comic stirred in me… I’ll probably be unpacking that for quite a while.
Roman Empire