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Auf der Liste meiner absoluten Lieblingsfilme ist „Blade Runner“ auf Platz 1. Ich hörte auf zu zählen, wie oft ich Ridley Scotts Sci-Fi-Klassiker aus dem Jahre 1982 bereits gesehen habe, als ich im dreistelligen Bereich angelangt war. Und auch mit der Fortsetzung von Denis Villeneuve, „Blade Runner 2049“, kann ich sehr viel anfangen. Beiden Filmen war an den Kinokassen kein allzu großer Erfolg beschieden, um es mal vorsichtig zu formulieren. Und dennoch erfreuen sich die Filme einer großen Popularität und gerade der erste Film, der auf dem Buch „Träumen Androiden von elektronischen Schafen?“ von Philip K. Dick basiert, hatte und hat enormen Einfluss auf die Popkultur.
Ein Album wie „Black & White“ von mind.in.a.box wäre vielleicht nie aufgenommen, ein Videospiel wie „Cyberpunk 2077“ nie entwickelt worden, hätte Harrison Ford 1982 nicht Jagd auf künstlich geschaffene Menschen, genannt Replikanten, gemacht. Und auch wenn die Filme an den Kinokassen gescheitert sind – sie gelangten im Nachgang zur verdienten Ehre und zogen Folgeprodukte nach sich. In den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es ein ziemlich gelungenes Computerspiel, das parallel zur Handlung des ersten Films spielte. Das Entwicklungsstudio Anapurna Interactive („Stray“) kündigte im vergangenen Jahr ein neues Spiel zur ergiebigen Lizenz an und für Amazon ist die Serie „Blade Runner 2099“ in Entwicklung. Es gibt also eine ganze Menge Nebenschauplätze, in die sich Fans vertiefen können. Und es gibt natürlich auch Comics. In diesen Tagen erscheint bei Panini Comics mit „Blade Runner Origins“ der erste Teil einer neuen Reihe, die sich inhaltlich ganz an den Anfang setzt. Der Titel legt diese Vermutung nahe. Was aber kann dieser Comic? Lasst uns darauf kurz mal einen Blick werfen.
„Blade Runner Origins 1: Produkte“ spielt im fiktiven Los Angeles des Jahres 2009. Damit also 20 Jahre vor der Handlung des Films, der den Grundstein für alles legte und zehn Jahre vor der Comicserie „Blade Runner 2019“. Von der Entwicklung der berühmt-berüchtigten Nexus-6-Replikanten sind wir also noch ein gutes Stück entfernt, dennoch: Es ist etwas faul im Hause Tyrell. Eine führende Wissenschaftlerin der Tyrell Corporation, die an einer neuen Replikanten-Version arbeitet, wird tot aufgefunden. Dem Anschein nach hat sich die Frau selbst das Leben genommen. Aber nun arbeitet man nicht für diese zwielichtige Bude und knipst sich selbst die Lichter aus, ohne dass irgendwer darauf aufmerksam wird – oder anfängt, Fragen zu stellen. In diesem Fall ist es das LAPD, die ihren Detective Cal Moreaux entsendet, um möglichst schnell einen Haken hinter einen vermeintlichen Routinefall machen zu können. Aber es wäre kein Comic mit einem Umfang von 116 Seiten geworden, würde Cal Moreaux nicht ziemlich rasch feststellen, dass an der Sache mehr dran ist, als es zunächst den Anschein hat. Zudem hat die Tyrell Corporation ein ganz eigenes Interesse an dem Fall, schließlich ist ihnen parallel zur Wissenschaftlerin auch noch ein nigelnagelneuer Replikant der nicht minder neuen Baureihe Nexus-5 verlustig gegangen. Und herum irrlichternde Replikanten, die sich im schlimmsten Fall gegen ihre Erbauer auflehnen, sind ganz schlecht fürs Geschäft …
Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumschreiben: Schon nach den ersten Seiten hat mich dieser atmosphärisch außerordentlich dichte und packende Comic in seinen Bann gezogen. Selbstredend profitiert „Blade Runner Origins“ bei mir von einem enormen Fan-Bonus, davon kann (und will) ich mich gar nicht freisprechen. Faszination und Begeisterung liegen gar nicht so sehr an der Handlung begründet, die sich sehr langsam und gemächlich aufbaut und damit den Filmen und der Romanvorlage sehr ähnelt. Sondern ganz stark an den wirklich tollen Bildern, die Zeichner Fernando Dagnino und sein Kolorist Marco Lesko hier zu Papier bringen! Enorm stimmungsvoll und sich sehr an der filmischen Vorlage orientierend, hatte ich auch unweigerlich bei jeder Seite verschiedene Tracks der Scores von Vangelis bzw. Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch im Ohr.
Was dazu führte, dass ich viel mehr Zeit auf den Seiten bzw. mit den einzelnen Panels verbrachte, als es sonst bei der Lektüre von Comics der Fall ist. Und beim ausgiebigen Schwelgen in den Bildern wurde mir (wenn auch schleichend) klar, was mich hier noch so faszinierte: die Bildkompositionen. Die Aufteilung der Panels ist sehr klassisch und alte Schule. Die Perspektiven, die Posen der Charaktere, die Blickwinkel und die Liebe zum Detail, sie sind es nicht. Hier hat Fernando Dagnino offenbar sehr viel Mühe darauf verwendet, einen filmhaften Look zu erschaffen, der sich zusammen mit den fantastischen Farben wie eine Mischung der beiden Filme anfühlt. Und förmlich dazu einlädt, diesen Comic immer wieder zur Hand zu nehmen, um in den Bildern zu versinken. Es ist dies der Auftakt einer neuen Serie und ich hoffe sehr, dass uns das kreative Duo Dagnino und Lesko erhalten bleibt!
Über die Charaktere und deren Beweggründe kann bei diesem Auftakt bislang nicht so viel erzählt werden. Cal Moreaux ist ähnlich maulfaul wie Rick Deckard (Harrison Ford), hingegen erinnert die Konzernfrau Ilora Stahl an Luv, die rechte Hand von Niander Wallace, der in „Blade Runner 2049“ die einstige Tyrell Corporation in sein eigenes Firmenimperium integriert hatte. Man wird sehen, wohin die Reise geht, aber zunächst einmal denke ich, es ist als gut zu erachten, dass sich K. Perkins, Mellow Brown und Mike Johnson inhaltlich an allem orientieren, was das „Blade Runner“-Universum so hergibt.
Lange Rede, kurzer Sinn: „Blade Runner Origins 1: Produkte“ ist ein sehr gelungener Einstand, der sich anschickt, die Geschichte des ersten Blade Runners auf vorrangig visuell sehr aufregende und faszinierende Weise zu erzählen. Für Fans der Replikantenjäger definitiv ein Pflichtkauf, ganz klar, aber auch wer nur ansatzweise Interesse an Science Fiction und/oder Cyberpunk im Comicformat hat, sollte einen genaueren Blick riskieren. Für mich jedenfalls kann der nächste Band gar nicht früh genug kommen!
On the list of my all-time favorite movies, "Blade Runner" holds the number one spot. I lost count of how many times I've watched Ridley Scott's 1982 sci-fi classic when I reached the triple digits. And I also have a deep appreciation for Denis Villeneuve’s sequel, "Blade Runner 2049." Neither film was particularly successful at the box office, to put it mildly. And yet, both have gained a large following, with the first film—based on Philip K. Dick’s novel "Do Androids Dream of Electric Sheep?"—having an enormous and lasting influence on pop culture.
An album like "Black & White" by mind.in.a.box might never have been recorded, and a game like "Cyberpunk 2077" might never have been developed, had Harrison Ford not hunted down artificially created humans—Replicants—in 1982. And even though the movies flopped at the box office, they eventually gained the recognition they deserved and spawned various follow-ups. In the 1990s, a rather well-made computer game was released that ran parallel to the plot of the first film. Last year, the development studio Annapurna Interactive ("Stray") announced a new game for this rich franchise, and Amazon is currently developing the series "Blade Runner 2099." So there are plenty of side avenues for fans to explore. And, of course, there are also comics. This week, Panini Comics is releasing "Blade Runner Origins," the first part of a new series that goes all the way back to the beginning. The title certainly suggests as much. But what does this comic have to offer? Let’s take a quick look.
"Blade Runner Origins 1: Products" is set in the fictional Los Angeles of 2009—twenty years before the film that started it all and ten years before the comic series "Blade Runner 2019." We’re still a long way from the development of the infamous Nexus-6 Replicants, yet something is already amiss at Tyrell Corporation. A leading scientist working on a new Replicant model is found dead. At first glance, it appears to be a suicide. But people don’t just work for this shady organization and then suddenly decide to end it all without raising suspicion—or prompting questions. In this case, the LAPD gets involved, assigning Detective Cal Moreaux to quickly close what seems like a routine case. But, of course, it wouldn’t be a 116-page comic if Cal Moreaux didn’t soon realize that there’s far more going on than meets the eye. Meanwhile, Tyrell Corporation has its own vested interest in the case, as not only has the scientist gone missing, but so has a brand-new Replicant of the equally new Nexus-5 model. And Replicants wandering around unchecked—potentially rebelling against their creators—is very bad for business...
I won’t beat around the bush: just a few pages in, this atmospheric and gripping comic had me hooked. Naturally, "Blade Runner Origins" benefits from a massive fan-bonus in my case—I can’t and won’t deny that. My fascination and enthusiasm are not so much rooted in the story itself, which unfolds slowly and methodically, much like the films and the original novel. Rather, they stem from the truly stunning artwork that illustrator Fernando Dagnino and colorist Marco Lesko bring to life! Highly evocative and visually aligned with the cinematic style, every page immediately evoked various tracks from the scores by Vangelis, Hans Zimmer, and Benjamin Wallfisch in my mind.
As a result, I spent far more time on each page and panel than I usually do when reading comics. And as I immersed myself in the artwork, it gradually became clear what else fascinated me: the composition of the visuals. The panel layouts are classic and old-school. It’s not just the perspectives, the character poses, the angles, or the meticulous attention to detail—it’s all of them combined. Fernando Dagnino has evidently put a great deal of effort into crafting a cinematic look that, together with the phenomenal colors, feels like a blend of both films. This comic practically invites you to keep revisiting it, to lose yourself in the imagery. It’s the start of a new series, and I sincerely hope the creative duo of Dagnino and Lesko sticks around!
There’s not much to say about the characters and their motivations just yet. Cal Moreaux is as tight-lipped as Rick Deckard (Harrison Ford), while corporate figure Ilora Stahl reminds me of Luv, the right-hand woman of Niander Wallace, who absorbed the former Tyrell Corporation into his own empire in "Blade Runner 2049." Where this story will go remains to be seen, but for now, I think it’s a good sign that writers K. Perkins, Mellow Brown, and Mike Johnson are drawing inspiration from all that the "Blade Runner" universe has to offer.
Long story short: "Blade Runner Origins 1: Products" is an impressive debut that seeks to expand the original Blade Runner story in a visually striking and compelling way. For fans of the Replicant hunters, this is an absolute must-buy—no question about it. But even those with just a passing interest in sci-fi and/or cyberpunk comics should take a closer look. As for me, I can’t wait for the next volume!
Roman Empire