Roman Empire
[English version below]
„Puh, jetzt erst mal ’ne Kippe!“, denke ich, nachdem ich den rund 300 Seiten starken Wälzer „Joker/Harley: Psychogramm des Grauens“ zu Ende gelesen habe. Ziemlich schnell stelle ich fest, dass ich seit Jahren nicht mehr rauche, aber wenn, wäre dieser nervenaufreibende Thriller sicher eine willkommene Ausrede, um sich mittels Glimmstängel die Nerven zu beruhigen. Was für ein gleichermaßen grausames wie grandioses Meisterwerk! Der nahende Kinostart von „Joker: Folie à Deux“ war für Panini Comics sicher Grund und Anlass, die unter dem DC Black Label veröffentlichte Miniserie in einem Sammelband im Sonderformat erneut auf den Markt zu bringen. Wer diese famose Geschichte bisher verpasst hat, bekommt nun also eine weitere Gelegenheit dazu. Ein Wort der Warnung möchte ich jedoch vorwegschicken: „Joker/Harley: Psychogramm des Grauens“ hält sich nicht mit halben Sachen auf – und ist daher ganz sicher nichts für zartbesaitete Personen!
Eine Eigenart von DCs „Black Label“ genannter Unterkategorie ist es, dass sich Kreative hier austoben können und bekannte Figuren in Geschichten packen, die völlig losgelöst von ihrem sonstigen Kontext oder Kanon existieren dürfen. Das können, ganz klassisch, neue Interpretationen bestimmter Origin Storys sein oder finstere Erzählungen, die den Kreativen im Kopf schlummerten und die zu Papier gebracht werden wollten. So traf beispielsweise in einer dieser Geschichten Batman auf Monsterjäger John Constantine. Eine andere Eigenschaft der „Black Label”-Geschichten ist es, dass sich deren Schöpfer*innen nicht nur keine Platte bezüglich Kontinuität machen brauchen, sondern auch nicht um Altersfreigaben. Das „Black Label”-Programm richtet sich klar an ein erwachsenes Publikum, dementsprechend derbe geht es mitunter auch zur Sache. So wie eben auch im vorliegenden Comic.
Entgegen der Vermutung, dass wir es hier einmal mehr mit einem lustigen Stelldichein des Clownprinzen des Verbrechens und seiner Clownprinzessin zu tun bekommen, hat sich Autorin Kami Garcia dazu entschieden, ein perfides Katz-und-Maus-Spiel zu erschaffen, das mehr mit Thrillern wie „Das Schweigen der Lämmer“ zu tun hat, als mit der Art und Weise, wie die Titelfiguren bisher meist dargestellt wurden.
Dr. Harley Quinn arbeitet als psychologische Beraterin für die Polizei von Gotham City. Vor fünf Jahren fand Quinn ihre Freundin und Mitbewohnerin tot in der Badewanne. Die Kehle aufgeschlitzt, den Mund zu einem grausam-grotesken Grinsen verzerrt unter Zuhilfenahme von Kleiderbügeln aus Draht. Quinns Freundin war nur eines der Opfer eines Serienmörders, der auf der Bildfläche von Gothams Unterwelt aufgetaucht war und der in den Folgejahren aufgrund seines Vorgehens (das nachträgliche, grausame Zaubern eines Lächelns in das Gesicht der Leichen) von den Medien den Namen „Joker“ bekommen hatte.
Doch wer ist dieser Mann, der seine Morde penibel plant, durchführt und keine Spuren hinterlässt, die zu seiner Ergreifung führen könnten? Im Verlaufe ihrer Ermittlungen, die den Joker viel dichter auf ihre Fersen geraten lässt, als andersherum oder gar, als es Quinn lieb sein kann, erkennt sie, dass sich der Joker als eine Art Künstler betrachtet. Die Opfer werden auf grausamste Weise zerstückelt und wieder zusammengesetzt, um etwa Kunstwerke von Salvador Dalí oder Leonardo da Vinci nachzubilden. Bis hin zu einer Ballerina, die während einer Vorführung von der Decke gelassen wird. Tot, natürlich, aber Arme und Beine abgetrennt und durch Holzgliedmaßen ersetzt. Harley Quinn und Jim Gordon rennt die Zeit davon, denn die zunehmende Frequenz der Morde und die immer größer werdende Sucht nach öffentlicher Aufmerksamkeit lassen die Vermutung aufkommen, dass der Joker im Begriff ist, sein furchtbares Meisterstück zu inszenieren …
Halleluja! Das Ding ist so fies wie genial! Ich kann es der Autorin Kami Garcia gar nicht hoch genug anrechnen, dass sie für ihre Tour de Force auf die gängigen, klassischen Klischees, die man mit Joker und Harley Quinn vielleicht assoziiert, verzichtet! Nehmen wir nur mal den Clownprinzen des Verbrechens: Der Joker ist hier kein Unterweltboss, der sich permanent mit Batman die Nase verbeult, seltsame Streiche spielt und fortwährend lacht. Genau genommen lacht der Joker, der mich optisch an eine Mischung aus dem Joker aus „Suicide Squad“ und dem aktuellen „The Crow”-Remake erinnert, hier überhaupt nicht. Er spielt auch keine Streiche, ist nicht der King der Unterwelt und von Batman hat dieser Joker noch nie etwas gehört. Es ist viel mehr wie eine Art John Doe aus „Sieben“ oder Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“: hochintelligent, amoralisch jenseits jeglicher Vorstellungskraft – und unfassbar grausam und bösartig.
Umgekehrt ist Harley Quinn nicht das überkandidelte Blondchen, das sich inzwischen zwar längst aus dem Schatten des Jokers emanzipiert hat, dem aber lange der Makel des überdrehten Dummchens, das sich nur zu gerne für den Joker in die Flugbahn von Batmans Faust geworfen hat, anhaftete. Hier wird sie als selbstbewusste Frau dargestellt, deren zunehmende Obsession für den Joker sie ziemlich bald in lebensbedrohliche Situationen bringen wird. Ich denke, das kann ich spoilerfrei so wiedergeben: Der Moment, in dem sie den Joker, eigentlich schon dingfest gemacht, aus der Untersuchungshaft entlässt, weil sie ihn töten und nicht verhaften will, ist ziemlich groß. Und vor allem großartig geschrieben.
Großartig ist auch die Inszenierung optischer Natur. Ich hätte mich beinahe dazu hinreißen lassen, dass „Joker/Harley: Psychogramm des Grauens“ optisch eine Augenweide ist – was ich, angesichts der nicht zu knapp dargestellten Eingeweide oder abgetrennten Körperteile, jedoch irgendwie für sehr makaber gehalten hätte. Dennoch: Mico Suayan, Mike Mayhew und alle anderen beteiligten Kreativen schaffen wahnsinnig gut aussehende Bilder, die ein ums andere Mal nicht mit Schock- und/oder Ekeleffekten geizen. Manchmal war ich mir nicht so sicher, ob ich wirklich umblättern möchte. Einerseits vor lauter Spannung, andererseits aus Sorge, was mich erwarten würde. Ich sage mal so: Schubladen, die in den Körper einer Frau eingenäht sind und die dann die Innereien beinhalten, sind schon schwer an meiner persönlichen Grenze dessen, was ich ertragen kann oder will. Auch, wenn ein Comic noch immer nicht so derbe schockt, wie es ein Film tun würde, das hier ist alles schon ziemlich explizit. Wer noch immer glaubte, Comics seien Kinderkram, wird spätestens hier eines Besseren belehrt.
Die gesammelten Grausamkeiten dienen dabei aber mitnichten der Provokation, so wie es beispielsweise bei „The Boys“ der Fall ist. Es ging der Autorin und ihren Zeichnenden eher darum, den Joker mit seiner Amoralität auf die in diesem Comic als Vergleich herangezogenen Mörder wie Ted Bundy auf eine Stufe zu stellen, denke ich. Eine gewisse Inkonsequenz gestattet sich Kami Garcia dann aber doch: sie zelebriert die Lust und das Interesse der Menschen am Bösen. Dass davon eine Faszination ausgeht, die mir noch keiner so richtig erklären konnte, ist wohl unbestreitbar, denke ich. Allein die vielen True-Crime-Podcasts und deren scheinbar stetig wachsendes Publikum sprechen eine deutliche Sprache. Wenn man nun also diese Sensationsgeilheit auf Grausamkeiten bedient – warum dann nicht so konsequent sein und den Joker wahllos morden lassen? Seine Opfer in diesem Buch haben fast durchgängig auch irgendwie Dreck am Stecken und somit wird ein abgrundtief böser Mensch zu einem gewissen Teil zu einem finsteren Rächer hochgejazzt. Zudem hätte es den Background aus den Jugendjahren des Jokers (Mutter stirbt beim Autounfall, Joker überlebt, saufender und prügelnder Adoptivvater und Kleinganove in Personalunion drischt auf den Jungen ein, wo und wie er nur kann) nicht zwingend gebraucht. Das wirkt ein wenig so, als hätte die Autorin auf den allerletzten Metern dann doch irgendwie der Mut verlassen, den Joker nur als absolut bösartig darzustellen. Dieses „aus dem armen Jungen konnte ja nichts anderes werden als ein grausamer Schlächter“ findet sich zwar auch in Biografien real existierender Massenmörder, hätte hier aber nicht zwingend sein müssen, da es keinen Mehrwert schafft.
Das aber ist nur eine Randnotiz, die jede*r Leser*in gewiss ganz individuell bewerten mag. Festhalten möchte ich abschließend mehrere Dinge: „Joker/Harley: Psychogramm des Grauens“ ist großartig geschrieben und sieht fantastisch aus. Es ist eine Hardcore-Story mit allerhand expliziter Grausamkeit, die nicht in die Hände von Kindern gehört und auch nicht unbedingt von jenen mit einem zarten Gemüt konsumiert werden sollte. Und gleichwohl ist es ein erfrischender und sehr wohltuend abwechslungsreicher Blick auf zwei besondere Figuren in DCs Kriminellenkabinett. Eine so krasse, intensive und spannende Geschichte rund um den Joker und Harley Quinn wird man möglicherweise kein zweites Mal erleben. Wir dürfen jetzt auf „Joker: Folie à Deux“ gespannt sein, der ebenfalls eine Geschichte erzählen wird, die nichts mit dem üblichen Kanon zu tun hat. Die Messlatte für ein Aufeinandertreffen beider Figuren wurde jedoch hiermit schon vor gut fünf Jahren irre hoch angelegt.
“Phew… I need a smoke.” That’s the first thought that crosses my mind after finishing the nearly 300-page brick Joker/Harley: Criminal Sanity. Only to immediately remember that I haven’t smoked in years. But if I did, this nerve-shredding thriller would’ve been the perfect excuse to light one up. What a gruesome and brilliant masterpiece! With the upcoming theatrical release of Joker: Folie à Deux, Panini Comics found good reason to bring this DC Black Label miniseries back in a deluxe collected edition. And if you missed this phenomenal story the first time around, now’s your chance to catch up. One word of warning though: Joker/Harley: Criminal Sanity does not pull its punches. This is definitely not for the faint of heart.
A trademark of DC’s Black Label line is its freedom—giving creative minds license to push familiar characters into completely new directions, unbound by continuity or canon. Sometimes that means fresh takes on origin stories. Sometimes it means unleashing dark tales that have been simmering in the minds of their creators, just waiting to be unleashed. Remember that time Batman met monster-hunter John Constantine? Yep, that was Black Label too. The other hallmark: these stories aren’t for kids. Violence, mature themes, psychological horror—you’ll find it all here. And this book? Is a prime example.
Contrary to what the title might suggest, this isn’t another playful romp through Gotham featuring the Clown Prince of Crime and his infamous queen. Instead, writer Kami Garcia delivers a deeply disturbing psychological thriller—one that owes more to Silence of the Lambs than anything from the usual DC playbook.
Dr. Harley Quinn is a forensic psychiatrist consulting for the Gotham City Police Department. Five years ago, Harley found her roommate and best friend dead in the bathtub—her throat slashed, mouth twisted into a grotesque grin using wire coat hangers. It was one in a series of meticulously staged murders committed by a serial killer Gotham’s press has dubbed "The Joker."
But who is this man? A psychopath who leaves no trace, no slip-up, no DNA? As Harley chases this elusive monster, she finds herself being hunted just as much as she hunts—and the closer she gets, the more she realizes: the Joker sees himself as an artist. His victims are grotesquely repurposed into re-creations of iconic works by Salvador Dalí, Leonardo da Vinci, and others. A ballerina, for instance, lowered mid-performance from the ceiling—dead, dismembered, with wooden limbs replacing her arms and legs. Harley Quinn and Jim Gordon are racing against time, as the killer escalates in both frequency and theatricality. It’s clear: he’s preparing for his gruesome masterpiece…
Holy hell. This thing is brutal—and brilliant. I can’t praise Kami Garcia enough for her decision to drop the tired tropes and present something entirely new. Let’s talk Joker first: this isn’t the cackling crime boss trading punches with Batman in a never-ending loop of chaos. No goofy gags, no “Ha-Ha” monologues. This Joker doesn’t even know Batman. Visually, he looks like a blend of Suicide Squad’s Joker and the remake of The Crow—and his vibe is far more John Doe from Seven than anything from Gotham’s traditional rogue’s gallery. He’s brilliant, detached, utterly amoral—and horrifying.
And Harley? She’s not the manic, lovestruck blonde tossing herself into danger for her Mistah J. No, here she’s a sharp, self-possessed profiler whose growing obsession with the Joker puts her in increasingly dangerous situations. There’s a moment late in the book—no spoilers—where she releases the Joker from custody, not to arrest him, but to kill him. It’s one of the most intense, brilliantly written beats I’ve read in years.
Speaking of brilliance—let’s talk visuals. I almost called Joker/Harley: Criminal Sanity a visual feast—but “feast” feels wildly inappropriate when intestines and body parts are so liberally on display. Still, Mico Suayan, Mike Mayhew, and the other artists deliver absolutely stunning work. The artwork is detailed, cinematic, and frequently horrifying. More than once, I found myself hesitating to turn the page. Equal parts anticipation and dread. There’s one scene involving drawers sewn into a woman’s body—each holding different organs—that seriously tested my limits. Comics don’t often hit as hard as film when it comes to shock value, but this one comes damn close.
To be clear: the violence here isn’t for shock value alone—this isn’t The Boys or something equally tongue-in-cheek. Garcia’s intent, I believe, was to present the Joker as a true-to-life serial killer. He’s positioned alongside real-world monsters like Ted Bundy—and the comparison feels all too apt. That said, there’s one creative choice I found a bit inconsistent: most of Joker’s victims in the story are shady in some way—criminals, abusers, bad people. That gives him, disturbingly, a kind of dark-avenger quality. Which sits uneasily with the otherwise nihilistic tone. Plus, there’s the whole backstory: car crash, dead mom, abusive foster father—an origin that feels almost too sympathetic. I understand the intent (real-life killers often have tragic backgrounds), but in this context? It slightly undercuts the sheer evil this Joker otherwise exudes. It’s the one area where Garcia seems to hesitate.
But that’s a minor footnote in the grand scheme. The important takeaway? Joker/Harley: Criminal Sanity is brilliantly written and drop-dead gorgeous. It’s brutal, graphic, and disturbing—absolutely not for kids or the squeamish. But it’s also one of the freshest, most intense reinterpretations of two of DC’s most iconic characters you’re ever likely to read. And with Joker: Folie à Deux looming on the horizon, this book serves as a towering benchmark. If that movie hopes to match the raw, unsettling power of this comic, it has its work cut out for it.
No question: this one belongs on your shelf.