[English version below]
„Dreams are my reality“, sang Richard Sanderson in dem Lied „Reality“ aus dem Jahr 1981, dereinst zu großem One-Hit-Wonder-Ruhm gelangt durch den Film „La Boum“. „A different kind of reality“, heißt es dort weiter und angesichts des Comics, den ich Euch heute vorstellen möchte, blinkt der Tastatur-Cursor in meinem Kopf ganz dramatisch am Ende jenes Satzes. Denn Träume sind ein zentrales Element von „Spider-Man: Im Netz des Grauens“. Es sagt niemand, dass Träume immer nur schön sind.
Dieser Comic ist eine erlesene Sammlung von Albträumen. Blanker Horror.
Peter Parker, die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft, ist immerzu im Einsatz, um seine Stadt New York zu einem besseren Ort zu machen. Manchmal bedeutet das, Superschurken*innen zu bekämpfen, manchmal aber auch nur, eine Katze vom Baum zu retten. Zu tun gibt es jedenfalls immer mehr als genug. Das zehrt an den Kräften und auch ein Superheld mit unglaublichen Fähigkeiten muss manchmal schlafen.
Doch genau da liegt das Problem: Peter kann nicht schlafen. Seit Tagen schon wird er von einem Lied, einer Melodie verfolgt, was ihn daran hindert, eine wohlverdiente Pause einzulegen. Und wie man weiß: wenn der Mensch nicht irgendwann mal schläft, wird Schlafmangel tödlich. Spidey macht sich also auf die Ursache nach seiner Schlaflosigkeit und die Quelle des Liedes, das ihm fortwährend durch den Kopf geht. Dabei lernt er, dass er nicht der Einzige ist, der nicht schlafen kann. Und dass es finstere Gründe für all das gibt.
In der zweiten Geschichte dieses Bandes wird es noch wilder. Peter Parker erwacht in seinem Apartment. Geweckt von der Polizei, die von seinem Vermieter den Auftrag bekommen hat, ihn wegen Hausfriedensbruch aus der Bude hinauszukomplimentieren. Sein Vermieter weiß offensichtlich nicht, wer er ist. Und auch sonst scheint ihn niemand zu kennen. Nicht einmal Tante May, die behauptet, keinen Neffen zu haben!
Und damit nicht genug: auch seine erstaunlichen Spinnenkräfte sind schlicht nicht existent. Peter gerät in einen wahrlich albtraumhaften Strudel, aus dem es nicht nur kein Entrinnen oder Erwachen zu geben scheint, sondern der sich auch immer schneller zu drehen beginnt …
Um das hier mal ohne Umwege auf den Punkt zu bringen: Wer Bock hat auf ganz außergewöhnliche Horrorstorys mit unserem beliebten Netzkopf im Mittelpunkt, sollte sich dieses von Saladin Ahmed geschriebene Werk nicht entgehen lassen. Ganz, ganz großes Tennis, was hier gespielt wird! Beide Geschichten sind gut konzipiert und hervorragend umgesetzt. Es würde mir nicht gelingen, mich festzulegen, welche der beiden Handlungen ich spannender fand. Die rund 190 Seiten dieses Comics sind in einem Rutsch gelesen und wirken noch eine ganze Weile nach.
Daran hat auch das Artwork von Juan Ferreyra einen ganz wesentlichen Anteil. Ich möchte hier nicht von Zeichnungen sprechen, denn das, was Ferreyra geliefert hat, ist schon ein Gesamtkunstwerk. Manchmal wirkt es wie einfache Buntstiftzeichnungen, ein anderes Mal wie klassische Superheld*innenkost. In jedem Fall schert sich Ferreyra weder um klassische Panel-Aufteilung noch um sonst irgendwas, das man erwarten könnte, wenn Spider-Man auf dem Cover abgebildet ist.
Und die teilweise sehr unappetitlichen Bilder im zweiten Teil des Buches sorgen dafür, dass das Etikett „Horror“ hier aus gutem Grund an den Comic geklebt werden kann!
Geschichten rund um die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft gibt es viele, auch hier im Blog habe ich schon ein paar besondere Werke vorstellen dürfen. Aber das Ding hier ist besonders. Das hat sich auf alle Zeiten in meinem Kopf eingebrannt als eine der bemerkenswertesten, weil abgründigsten Comics rund um Spidey. Dicke Empfehlung an dieser Stelle für diesen Albtraum!
"Dreams are my reality," sang Richard Sanderson in the song "Reality" from 1981, which once rose to great one-hit-wonder fame through the movie "La Boum." "A different kind of reality," the lyrics continue, and considering the comic I want to introduce to you today, the cursor in my mind blinks dramatically at the end of that sentence. Because dreams are a central element of "Spider-Man: Web of Fear." No one ever said that dreams are always pleasant.
This comic is a carefully curated collection of nightmares. Pure horror.
Peter Parker, the friendly neighborhood Spider-Man, is always on duty to make his city, New York, a better place. Sometimes that means fighting supervillains, and sometimes it’s just rescuing a cat from a tree. One thing is certain—there’s always more than enough to do. It’s exhausting, and even a superhero with incredible abilities has to sleep sometimes.
But that’s exactly the problem: Peter can't sleep. For days now, he has been haunted by a song, a melody that keeps him from getting the rest he so desperately needs. And as we all know, if a person never sleeps, sleep deprivation eventually becomes fatal. So Spidey sets out to uncover the cause of his insomnia and the source of the tune that keeps echoing in his head. Along the way, he learns that he’s not the only one who can’t sleep—and that there are dark reasons behind it all.
The second story in this volume takes things even further. Peter Parker wakes up in his apartment, only to be greeted by the police, who have been called by his landlord to evict him for trespassing. His landlord doesn’t seem to know who he is. No one does. Not even Aunt May, who insists she has no nephew!
And that’s not all: his astonishing spider-powers are completely gone. Peter finds himself caught in a truly nightmarish vortex—one with no escape, no waking up, and a terrifying momentum that keeps accelerating…
Let’s not beat around the bush: if you’re in the mood for some extraordinary horror stories featuring our favorite web-slinger, you shouldn’t miss this masterpiece by Saladin Ahmed. This is top-tier storytelling! Both tales are well-conceived and brilliantly executed. I couldn’t decide which one I found more thrilling. The roughly 190 pages of this comic fly by in one sitting but linger in your mind long after.
A major contributor to this effect is the artwork by Juan Ferreyra. I hesitate to even call it "drawings" because what Ferreyra has created here is a complete work of art. At times, it looks like simple colored pencil sketches; at others, it resembles classic superhero aesthetics. One thing is for sure—Ferreyra disregards conventional panel layouts and defies every expectation one might have when picking up a Spider-Man comic.
And the often highly unsettling imagery in the second half of the book ensures that the "horror" label is well-earned!
There are many stories about the friendly neighborhood Spider-Man, and I’ve had the pleasure of reviewing some remarkable ones here on this blog. But this one is truly special. It has burned itself into my memory as one of the most remarkable and disturbing Spider-Man comics ever. A strong recommendation for this nightmare!
Roman Empire