Roman Empire
[English version below]
Wenn wir uns über Wolverines Abenteuer in Marvels bunten Heftchen unterhalten, dann ist in der langen Geschichte des haarigen Mutanten mit den scharfen Klauen ein Name untrennbar damit verbunden: Chris Claremont. 16 Jahre lang, von 1975 - 1991 prägte der Autor Wolverines Werdegang ganz maßgeblich. Als die 1980er-Jahre ihren Zenit überschritten hatten, sorgte ein Großereignis für Aufsehen, dass die Welt der X-Men ziemlich auf den Kopf stellte und als „Mutantenmassaker“ in die (Comic-)Geschichte eingehen sollte. In dessen Verlauf wurde Wolverine an ein x-förmiges Kreuz genagelt, nachdem er den Marauders und seinem Erzfeind Sabretooth einen neuen Scheitel an den Kopp gezimmert hatte. Was allerdings seit bald 30 Jahren nicht beantwortet war ist die Frage: Was passierte eigentlich zuvor? Chris Claremont kehrt zurück, um diese Frage zu beantworten. Das Ergebnis heißt: „Wolverine: Narben“.
Auf nicht ganz 100 Seiten erzählt Claremont davon, wie Wolverine und Sabretooth das tun, was sie für gewöhnlich eben so tun: Sich gegenseitig die Kauleiste verbeulen. Ganz besonders an Wolverines Geburtstag ein gern genommener Zeitvertreib und so auch hier, zumal Sabretooth, seines Zeichens Arschloch vom Dienst, es einmal mehr auf die Liebste von Logan abgesehen hat. Dieses Stelldichein mit Fäusten hat meist nur einen Haken: Keiner der beiden Kontrahenten kann sterben. Der enormen Selbstheilungskräfte wegen liegt vielleicht mal einer am Boden. Einen finalen Sieg indes, den trägt niemand davon. Da kann der Sabretooth dem Wolverine noch sehr die Augen auskratzen (buchstäblich!).
Es gelingt Wolverine aber wider Erwarten doch, seinen Erzfeind in die nächste Daseinsebene zu prügeln. Stellt sich heraus: das war der gar nicht, sondern lediglich ein Klon! Sapperlot! Wolverine macht sich auf die Suche nach dem Ursprung seines geklonten Widersachers. Ausgerechnet im frisch sanierten Keller von einem Waisenheim stößt er auf eine Klonanlage und in den zahlreich versammelten Tanks jede Menge altbekannter Widersacher: Die Marauders nämlich. Hinter alledem steckt Mr. Sinister, der seinerseits auch ganz eigene Vorstellungen davon hat, wie mit Wolverine zu verfahren ist, nachdem sich dieser durch die frisch gebrüteten Klone gemetzelt hat…
Es ist schon bemerkenswert, wie sehr Chris Claremont „seinen“ Wolverine kennt, auch wenn die Figur natürlich nicht von ihm erschaffen wurde. Gedanken, Gefühle, Handlung und Motivation für selbige - alles schlüssig, alles pointiert geschrieben und dank der famosen Zeichnungen von Edgar Salazar auch eindrucksvoll in Szene gesetzt. In gewisser Hinsicht fühlt sich dieser Comic an wie eine Zeitreise.
Es ist natürlich zu hinterfragen, ob eine Story, die an Ereignisse anknüpft, die eigentlich schon längst durcherzählt geglaubt waren, noch zwingend sein müsste. Andererseits: Das komplette MCU basiert auf diesem Konzept, immer weitere Serien und Filme zu drehen, die teilweise vor oder während der Ereignisse anderer Filme und Serien spielen. Vielleicht stellt sich diese Frage daher doch nicht. In jedem Fall ist dieses wenig zimperliche Action-Abenteuer von Wolverine, angesiedelt in längst vergangenen Tagen, beste Unterhaltung mit einem gehörigen Schuss wunderbarer Nostalgie. Gerade X-Men- bzw. Wolverine-Fans werden hier gewiss auf ihre Kosten kommen. Wer damals schon am Start war, als Mr. Claremont seinen Lauf für die X-Menschen hatte, erst recht. Der Daumen zeigt eindeutig nach oben für dieses Büchlein.
When discussing Wolverine’s adventures in Marvel’s colorful pages, one name is inseparably linked to the hairy mutant with razor-sharp claws: Chris Claremont. From 1975 to 1991—a span of 16 years—Claremont significantly shaped Wolverine’s trajectory. By the mid-1980s, a major event rocked the X-Men universe, becoming known as the "Mutant Massacre," during which Wolverine ended up crucified on an X-shaped cross after giving the Marauders and his arch-enemy Sabretooth quite the fight. Yet, for nearly 30 years, one question remained unanswered: What exactly happened before that moment? Chris Claremont returns to finally answer that question in "Wolverine: Deep Cuts."
In just under 100 pages, Claremont delivers what Wolverine and Sabretooth usually do best: beating each other to a pulp. Particularly on Wolverine’s birthday, this is a favored pastime—especially since Sabretooth, ever the consummate villain, once again targets Logan’s beloved. This recurring showdown has one fundamental catch: neither opponent can actually die, due to their powerful healing abilities. They might end up knocked down for a while, but no one claims a definitive victory, even if Sabretooth does quite literally scratch out Wolverine’s eyes!
Unexpectedly, Wolverine manages to pound his nemesis into the next dimension—only to discover that this wasn't Sabretooth at all, but a clone! Shocked, Wolverine searches for the origin of his cloned adversary, stumbling upon a cloning facility hidden in the freshly renovated basement of an orphanage. Within the numerous tanks are familiar foes: the Marauders. Behind all of this stands Mr. Sinister, who has his own ... sinister ... plans for Wolverine once he's finished cutting through the freshly-hatched clones…
It’s remarkable how well Chris Claremont knows "his" Wolverine—even though he didn’t create the character. Thoughts, feelings, actions, and motivations are all convincingly portrayed, sharply written, and vividly brought to life through Edgar Salazar’s fantastic artwork. In some ways, this comic feels like a journey back in time.
Of course, one might wonder if a story that revisits events long believed concluded is truly necessary. On the other hand, the entire MCU is built on a similar concept—creating series and films that occur before or during other well-known events—so perhaps this question is redundant. Either way, this gritty action-adventure featuring Wolverine, set in days long past, offers top-notch entertainment and a healthy dose of delightful nostalgia. Especially fans of the X-Men and Wolverine are bound to thoroughly enjoy this. And for those who followed Mr. Claremont’s legendary X-Men run from the start, it’s a must-read. A definite thumbs-up for this engaging book.