[English version below]
Früher war der letzte Beitrag hier im Blog traditionell einer, der sich den Top-Alben des Jahres widmete. Dieses Mal nicht. Mir ist nicht danach. Das hat unter anderem damit zu tun, dass ich in diesem Jahr deutlich weniger Musik gehört habe, als es in vergangenen Jahren noch der Fall gewesen ist. Das soll keinesfalls als eine wie auch immer geartete Wertung der in diesem Jahr veröffentlichten Musik betrachtet werden. Ich hatte in diesem Jahr schlicht und ergreifend andere Dinge zu tun, am meisten mit mir selbst. Rückblende in den August, manche*r von Euch erinnert sich vielleicht noch, dass ich in jenem Sommermonat dachte, die Bloggerei an den Nagel hängen zu müssen.
Aber eigentlich ist der Grund ein anderer, warum ich dieses Jahr nicht die tollsten/besten/hörenswertesten Alben des Jahres als letzten Beitrag präsentiere.
Vorhin erst habe ich wieder einen Wetterbericht gelesen. In einigen Teilen des Landes werden zum Jahreswechsel bis zu 20 Grad erwartet. 20. Grad. Ende Dezember. Einer Zeit, in der wir uns eigentlich den Arsch abfrieren müssten, wenn wir in luftiger Bekleidung die Bude verlassen. Vor allem im Südwesten des Landes besteht diese Gefahr wohl nicht. Und das erschüttert mich, offen gestanden.
Die Klimakrise beschäftigt mich schon eine ganze Weile, aber anstatt uns direkt mit Extremen wie kürzlich in den USA oder Japan mit seinen drastischen Wintereinbrüchen zu überrollen, entwickelt sich das hierzulande scheinbar wie eine Krankheit, die sich sukzessiv entwickelt. Da kann man ruhig noch mal ein paar Taler in Böller investieren, ist ja alles noch nicht so wild hier. Das bisschen Hochwasser gelegentlich oder die bis auf die Flussbetten ausgetrockneten Flüsse im Sommer. Alles (offensichtlich kein) Schnee von gestern!
Als ich über diesen Artikel nachdachte, habe ich mich gefragt, was wohl die finale Botschaft sein könnte, die ich zum Jahreswechsel mitgeben könnte. Selbst einigermaßen ambivalent zwischen Zuversicht und Niedergeschlagenheit schwankend, fällt es mir zunehmend schwer, Mut und Mundwinkel hochzuhalten. Und die Klimakrise ist nur eines der Probleme, die das Tagesgeschehen bestimmen.
Seit mehr als 300 Tagen herrscht der Krieg in der Ukraine, die Gefahr einer nuklearen Eskalation schwebt nach wie vor über unser aller Köpfe. Als wäre das nicht schon genug, rasseln sich China und Taiwan ebenfalls wieder lautstark an den Säbeln. Dass es da noch nicht geknallt hat, ist wohl eher Glück als Vernunft. Der Möchtegern-Player da im Norden Koreas möchte ebenfalls mit den großen Jungs spielen und pupst ebenfalls seine immerwährenden Bedrohungen in die Welt und man ist sicher gut beraten, das ernst zu nehmen.
Weiterhin ist die Pandemie nach wie vor ein Thema, dazu gesellt sich der größte Krankenstand seit Anno dazumal, Knappheit von Medikamenten, speziell für Kinder, inklusive. Mich selbst hat es in diesem Jahr öfter umgewedelt, als ich Finger an den Händen habe und ja, Arschloch Corona war auch dabei. Möchte ich kein zweites Mal haben, eigentlich. Die Querdenker haben sich inzwischen auf den Russlandfeldzug eingeschossen, rechtsschwurbelnde Naghavigationssysteme werden wieder auf den großen Bühnen der Schwarzen Szene installiert und die Fans gockeln dem nach, als hätte Steve N. aus B. seinerzeit nicht diesen gefährlichen QAnon-Blödsinn herausposaunt. Und dann waren da auch noch diese Reichsbürger, die teilweise in ähnlichen Fahrwassern unterwegs waren und in ihren Umsturzfantasien ziemlich weit fortgeschritten waren. Elon Musk hat sich in diesem Jahr endgültig als der gefährliche Zündler enttarnt, der er vermutlich immer schon war und beste Beispiele dafür geliefert, warum ein einzelner Mensch nicht so reich werden darf.
Die Verkehrs- und Mobilitätswende kommt nicht in die Gänge (das Einzige, was bisher einigermaßen in die richtige Richtung ging, das 9-Euro-Ticket nämlich, wurde direkt wieder einkassiert und von einem halb garen Nachfolger ersetzt), stattdessen sind mehr Autos auf deutschen Straßen unterwegs als jemals zuvor. Und die Jugend hat, entgegen vergangener Trends, wieder mehr zur Kippe gegriffen. Das Artensterben wird direkt meist gar nicht groß thematisiert, es sei denn, ein Fluss wie die Oder kippt aus bisher nach wie vor nicht so richtig überzeugend geklärten Gründen um.
Und dann noch die Begleiterscheinungen des Krieges, Gas- und Strompreise, Inflation und wer weiß, was einem sonst noch Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Vom Thema KI, das in sehr kurzer Zeit sehr wahrscheinlich sehr viele Jobs obsolet machen wird und wir noch keine Antwort auf die Frage „was dann?“ haben, fange ich gar nicht erst an.
Würde man es kurzfassen wollen, könnte man auch sagen: Alles scheiße, 2022 hat eigentlich so gar nichts besser gemacht als das ohnehin schon wenig berauschende 2021.
So. Wäre jetzt keine so frohe Kunde für den Jahreswechsel, oder? Was ich Euch aber stattdessen wirklich mitgeben möchte, ist Folgendes: auch wenn es manchmal schwerfällt, auch wenn man vielleicht zweifelt, was man als einzelner Mensch ausrichten kann, eine Sache geht immer: die Hoffnung bewahren.
Die Hoffnung darauf, dass die Dinge besser werden, dass wir schlussendlich die Kurve doch noch kriegen. Die Hoffnung darauf, dass vielleicht ganz plötzlich wirklich eine bahnbrechende Technologie ersonnen wird, die in Windeseile und erforderlichem Maßstab CO₂ aus der Atmosphäre saugt. Die Hoffnung darauf, dass die soziale Ungerechtigkeit ausgemerzt wird und so weiter. Es gibt so viele Dinge, auf die es sich zu hoffen lohnt. Und ganz viel Gutes passiert auch, es verkauft sich nur nicht so gut wie die dramatischen Schlagzeilen und geht daher gerne mal im Getöse unter.
Denn, auch wenn man das schnell mal aus dem Blick verliert: 2022 war nicht alles für die Katz. So haben bei den Midterms in den USA die Republikaner nicht den erdrutschartigen Sieg eingefahren, der überall befürchtet worden war und Amerikaner ist noch nicht komplett als radikaler Gottesstaat verloren. Auch wenn in Italien und Schweden in diesem Jahr rechte Kräfte die Macht übernommen haben – in Brasilien hingegen hat man festgestellt, dass Rechts noch weniger Lösungen hat als der Rest und hat Bolsonaro abgewählt. Knapp möglicherweise, aber eben doch.
Der Ukraine-Krieg brachte es mit sich, dass wir in Rekordzeit unabhängig geworden sind von russischem Gas (Danke, Robert!). Dass wir dafür andere Kröten schlucken mussten, betrachte ich an dieser Stelle als notwendiges Übel, wenngleich mein grünes Herz dabei natürlich ein bisschen blutet. Zahlreiche Menschen in diesem Land haben sich auf bewegende Weise mit den Menschen in der Ukraine solidarisiert, haben gespendet, Flüchtende bei sich aufgenommen und so vieles mehr, was zeigt, dass die viel beschworene soziale Kälte in diesem Land noch nicht überhandgenommen hat.
Ein niederländisches Start-up hat ein Verfahren entwickelt, um mittels Blubberblasen Flüsse zu reinigen, Schottland verzeichnet wieder so viel Wald wie zuletzt vor 1000 Jahren, in Neuseeland wird man sich mittelfristig der Zigaretten entledigen und die tapferen Frauen im Iran kämpfen einen unfassbar mutigen Kampf gegen das dort herrschende Regime, wohl wissend, dass es sie das Leben kosten könnte. Und was wird es wohl sein, dass die Frauen im Iran primär antreibt? Die Hoffnung darauf, dass sich die Situation für sie in ihrem Land bessert.
Und damit möchte ich diesen Text zum Abschluss bringen. Nehmt die Hoffnung mit ins neue Jahr. Sie kann die Triebfeder für so viele positive Dinge sein, mit der sich die Welt zum Besseren verändern lässt.
In diesem Sinne – kommt gut, gesund und munter ins neue Jahr!
In the past, the final post of the year here on the blog was traditionally one dedicated to the top albums of the year. Not this time. I just don't feel like it. Part of the reason is that I listened to a lot less music this year than in years past. That shouldn't be seen as any kind of judgment on the music that came out in 2022. It's just that this year, I simply had other things to do—mostly with myself. Flashback to August: some of you might remember that I was seriously thinking about quitting the whole blogging thing for good back then.
But actually, there's another reason why I'm not wrapping up the year with a list of the best/most awesome/most listen-worthy albums this time.
Just earlier today I read another weather report. In some parts of the country, temperatures are expected to hit 20 degrees Celsius around New Year's. Twenty. In late December. A time of year when we should be freezing our asses off the moment we step outside in light clothing. But apparently, at least in the southwest of the country, that risk doesn't exist. And honestly? That shakes me.
The climate crisis has been on my mind for quite a while now. But instead of hitting us with sudden extremes like the recent cold snaps in the U.S. or Japan, it's creeping in here like some kind of slow-burning illness. So yeah, sure—let's throw a few more bucks at fireworks. Nothing to worry about, right? Just the occasional flood, or rivers dried out down to the beds in summer. All (clearly not) water under the bridge!
When I was thinking about this post, I asked myself: what message do I even want to leave behind at the end of this year? I’m somewhere between hope and disillusionment, and it's getting harder and harder to keep both my spirits and my smile up. And the climate crisis is only one of many issues weighing us down.
It's been over 300 days of war in Ukraine, with the threat of nuclear escalation still hanging over all our heads. As if that weren't enough, China and Taiwan are saber-rattling again too. The only reason that hasn't exploded yet might be more about luck than logic. The wannabe power player up in North Korea wants a seat at the big kids’ table too, throwing out his usual stream of threats—and you'd be wise to take them seriously.
The pandemic is still a thing, and we've got the worst wave of sick leave in ages, not to mention serious shortages in meds, especially for kids. I’ve been knocked out more times this year than I have fingers on my hands—and yes, fucking COVID was one of them. Don't want that again, thanks. Meanwhile, the conspiracy theorists have pivoted to cheerleading Russia’s war effort, far-right nonsense is crawling back into the dark corners of the alternative scene, and fans are eating it up like Steve N. from B. never publicly fell for that dangerous QAnon crap. And then there were those Reichsbürger people, drifting in the same waters, cooking up real-life coup fantasies. Elon Musk finally outed himself as the dangerous little arsonist he's always been—offering yet more proof why no one person should ever have that much money.
The traffic and mobility revolution? Stuck. The one good idea—the €9 ticket—got axed and replaced with a half-baked follow-up. Meanwhile, there are more cars on German roads than ever before. Youth smoking is back on the rise. Species are vanishing, but that barely makes the news—unless, say, a river like the Oder suddenly tips over for still-not-really-explained reasons.
And then there are the ripple effects of war: gas and electricity prices, inflation, and all the other stuff that gives you forehead wrinkles. I’m not even going to open the can of worms labeled "AI"—which will very likely make a lot of jobs obsolete in record time. And we still have no idea what to do about that.
If I had to sum it up in one sentence: Everything sucks. 2022 didn’t improve a damn thing over an already pretty awful 2021.
Yeah. Not exactly a cheerful New Year's message, is it? But here's what I really want to leave you with instead: even when it’s tough, even when you doubt whether one person can make any kind of difference—one thing is always possible: you can hold on to hope.
Hope that things will get better. That maybe, somehow, we’ll still manage to turn things around. Hope that some mind-blowing new technology will suddenly be invented to suck CO₂ out of the air at scale and speed. Hope that we’ll finally start erasing social injustice. There are so many things worth hoping for. And there’s still so much good happening out there—it just doesn’t sell as well as bad news, so it gets drowned out in the noise.
Because, even if it’s easy to lose sight of: 2022 wasn't a total loss. In the U.S., the Republicans didn’t win the massive victory everyone feared in the midterms—and America hasn’t (yet) turned into a full-blown radical theocracy. Yes, Italy and Sweden saw the far right gain power this year—but in Brazil, people figured out that the right wing doesn’t have the answers either, and they voted Bolsonaro out. Barely, maybe—but still.
The war in Ukraine meant that we became independent from Russian gas at record speed. (Thanks, Robert!) Sure, we had to swallow some bitter pills to get there—but I’d say that was a necessary evil, even if it hurt my little green heart. So many people in this country showed incredible solidarity with Ukrainians: donating, taking refugees into their homes, doing so much more. Proof that the so-called social coldness hasn’t taken over completely.
A Dutch start-up came up with a way to clean rivers with air bubbles. Scotland now has more forest cover than at any time in the past thousand years. New Zealand is getting rid of cigarettes long-term. And the brave women in Iran are risking everything—even their lives—to fight the regime. And what do you think is the one thing that keeps them going? Hope. Hope that their lives—and their country—will get better.
So, let me end this piece with this: Take hope with you into the new year. It can be the fuel for so many good things—things that might just change the world for the better.
With that—wishing you a smooth, healthy, and joyful start to the new year!
Roman Empire