[English version below]
So schön wie Schweden auch sein mag, so ungemütlich kann es dort auch sein. Ungemütlich – und gefährlich. Die namengebenden Winterstürme auf Öland zum Beispiel sind ein guter Grund, das Haus auf der Ostseeinsel wirklich nur noch dann zu verlassen, wenn es unbedingt notwendig ist. Und so wie es in „Nebelsturm“ von Johan Theorin beschrieben wird, sollte man sich zunächst mal mit den Einheimischen unterhalten, ehe man beschließt, sich dort dauerhaft niederzulassen.
Ein guter Rat, der für Joakim, den Protagonisten dieses schwedischen Krimis, zu spät kommt. Zusammen mit seiner Frau Katrine und ihren beiden Kindern erwerben sie nämlich den etwas abseits gelegenen Hof Aludden, um den sich verschiedene Gerüchte und Legenden ranken. Es heißt, dass der Hof selbst aus den Resten eines gesunkenen Schiffes errichtet wurde. Und dass die Erbauer der beiden Leuchttürme, die an den Hof quasi angrenzen, die Schreie der Ertrinkenden nie vergessen konnten. Die Namen der Toten sind noch heute, viele, viele Jahre später, in der Scheune des Hofes in Holz geritzt sichtbar. Und seit jeher brachte Hof Aludden seinen Bewohner*innen nur Unglück.
Davon weiß Joakim nichts, der berufsbedingt immer noch zwischen der alten Heimat Stockholm und dem neuen Zuhause pendelt. Auch nicht, als ihn vollkommen unerwartet der Anruf einer jungen Polizistin erreicht, die ihm mitteilt, dass seine Tochter ums Leben gekommen sei. Zu Hause angekommen stellt er fest, dass es nicht seine Tochter war, die in der eiskalten Ostsee ertrunken ist, sondern seine Frau Katrine. Für Joakim bricht die Welt zusammen. Er verfällt in eine Art Depression. Lebenslust und die Motivation, das dringend renovierungsbedürftige Anwesen in Schuss zu bringen, gehen im völlig ab. Aber da sind noch seine beiden Kinder und so zwingt er sich, irgendwie doch weiterzumachen. Leise Zweifel nagen jedoch an ihm, dass der Tod seiner Frau ein tragischer, aber eben doch ein Unfall war. Die Polizistin, welche die Nachricht überbringen musste, hat ebenfalls ihre eigenen Vermutungen. Und dann sind da ja noch die seltsamen Entdeckungen, die
Wenn man Herrn Theorin eines bescheinigen kann, dann, dass er ein großes Talent dafür hat, mit seinem Geschriebenen stimmungsvolle Bilder und eine reichlich düstere Stimmung zu erzeugen. Wenn man sich dem „Nebelsturm“ hingibt, wird es während des Lesens spontan ein paar Grad kälter im Raum, so überzeugend stellt Theorin das grausige, unwirtliche Wetter dar. Aber noch etwas gelingt dem Schweden auf ganz famose Art und Weise: Mit der Sinneswahrnehmung seiner Protagonist*innen (und somit der Leser*innen) zu spielen. Während sich die Geheimnisse des Hofes Aludden offenbaren und immer deutlicher wird, dass mit der offiziell vermuteten Todesart Katrines etwas so nicht ganz stimmen kann, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie (um nicht zu sagen: Wahn?). Sind die Dinge, die Joakim und seine Tochter sehen und hören, die Schatten in der Scheune, die Frau die angeblich neben dem Bett der Tochter stand, alles nur Hirngespinste, die durch die Konfrontation mit dem plötzlichen Tod Katrines entstehen – oder passieren auf Aludden möglicherweise Dinge, die sich rationeller Erklärung und Deutung entziehen?
Mit einer Leichtigkeit, wie sie schwedischen Autoren scheinbar prinzipiell innezuwohnen scheint, verknüpft Theorin Kriminalroman mit Familiendrama und einer Gruselgeschichte und herauskommt dabei ein unterhaltendes Lesevergnügen, das einmal mehr den guten Ruf schwedischer Krimiautoren verteidigt.
Der Klappentext wirbt mit dem Zitat einer Zeitung, in dem heißt, dass manche Passagen zu dem Gruseligsten gehören, das der Rezensent jemals gelesen hätte. Nun, so ganz würde ich das nicht unterschreiben. Gruselig ja, aber kein Grund, die eigenen Fingernägel mit dem Gebiss zu malträtieren. Wer von einem Krimi erwartet, dass literweise Blut fließt, wird von Theorins „Nebelsturm“ wohl enttäuscht werden. Der Autor schlägt reichlich ruhige Töne an und über weite Strecken ist das Buch mehr Drama denn Krimi. Aber es sind gerade Theorins Spiele mit der Sinneswahrnehmung seiner Figuren, die sein Werk auszeichnen und das bereits erwähnte
Gespür, düstere Stimmungen zu erzeugen. Ich habe es mit Genuss gelesen, möchte aber keine pauschale Empfehlung aussprechen. Fans schwedischer Autoren greifen hier eher zu als Leser „gewöhnlicher“ Krimis.
As beautiful as Sweden undoubtedly is, it can also be distinctly uncomfortable—and dangerous. The winter storms on the island of Öland, for instance, are reason enough to leave your house only when absolutely necessary. And as depicted in Johan Theorin’s "Echoes from the Dead," it's advisable to talk to the locals first before deciding to permanently settle there.
This good advice comes too late for Joakim, the protagonist of this Swedish thriller. Together with his wife Katrine and their two children, he buys a somewhat remote property called Aludden, surrounded by various unsettling rumors and legends. It's said the house itself was built from the remains of a sunken ship and that the constructors of the two adjacent lighthouses could never forget the cries of drowning sailors. Even now, many years later, the names of the dead remain visibly carved into the barn’s wood. Historically, Aludden has always brought misfortune to its residents.
Joakim knows none of this, as his job forces him to commute between their old home in Stockholm and their new residence. He remains blissfully unaware until he receives an unexpected call from a young police officer informing him that his daughter has died. Upon returning home, he discovers it wasn’t his daughter but rather his wife Katrine who drowned in the icy Baltic Sea. Joakim’s world collapses, plunging him into depression. All motivation to renovate the dilapidated estate vanishes. Still, his children depend on him, forcing him to carry on somehow. Quiet doubts creep in, however, about whether Katrine’s death was genuinely accidental. The officer who delivered the tragic news harbors similar suspicions. Further complicating things are Joakim’s eerie discoveries about Aludden’s past—and his daughter’s strange, sleepwalking dreams, where she insists that Katrine is still present with them…
One thing Johan Theorin excels at is creating vivid imagery and profoundly dark atmospheres through his writing. Immersing yourself in "Echoes from the Dead" might make your room spontaneously feel a few degrees colder, so convincingly does Theorin portray the grim, inhospitable weather. Yet another aspect the author masterfully handles is the manipulation of his characters’ (and thus readers’) perceptions. As Aludden’s secrets gradually unfold and Katrine’s supposed cause of death comes increasingly under scrutiny, the line between reality and imagination (or should we say madness?) blurs. Are the shadows Joakim and his daughter witness, the woman standing beside his daughter’s bed, mere hallucinations brought on by the trauma of Katrine’s sudden death—or are inexplicable, supernatural events actually occurring at Aludden?
With an ease seemingly characteristic of Swedish authors, Theorin blends crime thriller, family drama, and ghost story into an entertaining read, once again reinforcing the strong reputation of Swedish crime fiction.
The book jacket cites a newspaper review calling some passages among the creepiest the reviewer ever read. Well, I wouldn't go quite that far. Creepy, yes, but no reason to chew your nails down to the quick. Readers expecting buckets of blood will probably be disappointed with Theorin's "Echoes from the Dead." The author employs a notably subdued tone, making the novel feel more like a drama than a classic thriller for long stretches. Yet, it's precisely Theorin’s skilled manipulation of his characters' senses and his talent for evoking atmospheric darkness that set this book apart. I enjoyed reading it immensely but hesitate to give a blanket recommendation. Fans of Swedish literary suspense will find much to appreciate here, while readers seeking conventional thrillers might prefer to look elsewhere.
Roman Empire